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Unterstützung der Familie

Eine Rezension des Films „Borga“

Seit einigen Wochen läuft in ausgewählten Kinos der Film „Borga“. Maria Iwamoto aus der Evangelisch-reformierten Gemeinde in Lüneburg hat ihn gesehen. Wer vor dem Kino-Besuch nicht so viel von der Handlung wissen möchte, sollte von ihrem Text nur die kursiven Absätze am Anfang und am Ende lesen.

Fast jeden Tag lesen wir in der Zeitung, dass das Schiff „YXZ“ im Mittelmeer ein paar hundert Menschen von einem seeuntüchtigen Boot gerettet hat und jetzt darauf wartet, diese Schiffbrüchigen, Migranten aus Kriegsgebieten oder aus armen Staaten in Afrika, irgendwo in Europa an Land zu bringen. Das ist nicht eben einfach, weil die Staaten der EU sich am liebsten abschotten würden gegen diese Einwanderung. Einige Staaten lehnen die Aufnahme der Flüchtenden kategorisch ab und behaupten, die Einwanderer wollten nur unsere Wohnungen, unser Geld, unseren Luxus. Im Übrigen seien sie Kriminelle. Andere Staaten nehmen nicht zu große Gruppen von Flüchtlingen auf und versuchen, diese in ihre Gesellschaft zu integrieren. Einerseits ruft das christliche Gebot der Nächstenliebe (und auch das Seerecht) dazu auf, Schiffbrüchigen zu helfen, andererseits fürchten die europäischen Politiker, dass sie nicht wiedergewählt werden von Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die Angst um ihren Lebensstandard haben, wenn viele ausländische „Konkurrenten“ im eigenen Land leben. So blicken europäische Augen auf Konflikte, die durch die enormen Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern dieser Erde entstehen. Der Film „Borga“ nimmt die afrikanische Perspektive ein.

Kojo lebt mit seiner Familie in Accra, Ghana, bei der riesigen Abfalldeponie Agbogbloshi. Der Vater und der ältere Bruder Kofi sameln - wie viele andere - Elektro- und Elektronikschrott auf der Halde. Es geht ihnen um die verschiedenen Metalle, die darin enthalten sind, denn die werden von Händlern gewogen und nach Gewicht bezahlt. Deswegen werfen die Müllsucher ihre Beute auf einen Haufen und zünden ihn an, damit die nicht erwünschten Bauteile verbrennen. Man kann sich gut vorstellen, wie es auf der Deponie nach verbranntem Plastik stinkt. Das ist gefährlich, weil die Abgase zum Teil giftig sind und weil Dinge in Feuer explodieren und die Menschen verletzen können.

Der Vater stellt Kofi, den ältesten Sohn, der Verwandtschaft und den Freunden als denjenigen vor, der Verantwortung für die Familie übernehmen wird, wenn der Vater einmal nicht mehr lebt, und auch jetzt schon soll er sich in Absprache mit dem Vater an die Verantwortung gewöhnen. Kofi ist vielleicht 14 Jahre alt, Kojo ist nur wenig jünger. Er fragt den Vater, was denn seine Aufgabe sein soll. Der Vater will, dass Kofi die Schule besucht und später in der Verwaltung des Landes arbeitet. Kofi besucht die Schule, aber er schwänzt auch ab und zu, um mit seinem Bruder und Freunden auf der Deponie Metalle zu suchen, sie zu verkaufen und ein bisschen Geld zu verdienen, um sich z.B. eine Cola zu kaufen. Die Freunde haben nur Verachtung für die Schule übrig, sie wollen wie die Erwachsenen sein und Geld verdienen, um sich einen winzigen Luxus leisten zu können.

Eines Tages taucht ein „Borga“ auf, ein Onkel, der in Europa gewesen ist, Anzug trägt, rauschende Feste mit Freunden feiert, Alkohol trinkt. Offensichtlich ist er in Europa reich geworden. Kojo und seine Freunde möchten auch so leben, das ist doch etwas viel Besseres als das Leben auf der Müllhalde, nicht mehr mit den Händen im Dreck wühlen, nicht mehr die tägliche Gewalt um geringe Verdienste ertragen zu müssen. Kojo und seine Freunde versuchen, dem Borga etwas zu stehlen, werden aber erwischt. Der Borga spricht mit Kojo und sagt ihm, er müsse im Leben Regeln respektieren, aber er müsse auch wissen, welche Regeln man brechen kann oder muss, um reich zu werden.

Kojo hört nicht auf, davon zu träumen, nach Europa zu gehen und auch reich zu werden, um seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. Als junger Mann arbeitet er sehr fleißig auf der Deponie, dadurch verdient er keine Reichtümer, er trägt nur einen guten Teil zum Lebensunterhalt seiner Familie bei. Schließlich wagt er den Absprung. Seine Mutter beschwört ihn beim Abschied, wieder zurückzukommen. Der Film spart die Fahrt nach Europa aus, es wird nur gesagt, dass er dabei unendlich viel Leid erfahren und die Fahrt fünf Jahre gedauert hat. Kojo landet in Deutschland, in Mannheim.

Kojo kampiert zunächst in einem Zelt unter anderen Obdachlosen. In dem Café/Geschäft einer Ghanaerin trifft er schließlich seinen Onkel, der ihm erzählt, dass es einen Fotografen gibt, der Bilder von ihm macht mit einem tollen Auto, mit Haus, Yacht und auch Flugzeug, Fotos, die er nach Hause schicken kann, um der Familie zu zeigen, dass er reich geworden ist. Doch Kojo geht es nicht darum, diesen Anschein zu erwecken, sondern darum, seiner Familie wirklich zu helfen mit dem Geld, das er verdient. Er hilft beim Einsammeln von Elektroschrott, beim Beladen von Containern mit Schrott, die nach Ghana verschifft werden, doch er vierdient nur wenig Geld damit, nicht genug, um damit seine Familie zu unterstützen.

Er besucht ein Tanzvergnügen und lernt dort eine deutsche Frau kennen, wohl eine Sanitäterin, die beiden verlieben sich ineinander. Er findet emotionale Geborgenheit, die es bei seiner Familie in Ghana auch gab, aber in Deutschland bisher nicht. Schließlich bieten sich ihm Möglichkeiten, sehr schnell viel Geld zu verdienen, allerdings bricht er damit Regeln bzw. Gesetze.

Kojo kann sich jetzt kleiden wie ein Borga (verballhornt von „Hamburger“, jemand, der in Hamburg reich geworden ist), er tritt auf wie ein Borga, er will seine Familie in Ghana besuchen. Doch sein Bruder Kofi sagt ihm am Telefon, dass er gar keinen Wert lege auf diesen Besuch. Trotzdem fährt Kojo mit Geschenken hin. Sein Vater ist inzwischen verstorben. Kofi ist der Chef der Familie. Kojo spürt die Ablehnung durch seine Familie, nur sein Neffe Ekwo, der einzige Sohn seines Bruder Kofi, ist begeistert, für ihn ist der Onkel, der, der es geschafft hat, reich zu werden. Ekwo, strebt nun auch an, ein Borga zu werden.

In der Siedlung von Agbogbloshi erregt Kojo Aufsehen, er wird insbesondere von den jungen Männern bewundert und verdreht ihnen den Kopf mit seinem Reichtum, den sie auch gerne hätten und von dem sie glauben, sie könnten ihn in Europa auf der Straße einfach auflesen. Die Älteren sind wütend und wünschen, dass Kojo wieder verschwindet, weil er die Jungen ganz kirre macht.

Kojo geht nach Deutschland zurück zu seiner Freundin, die eines Tages entdeckt, dass Kojo mit falschem Pass zwischen Deutschland und verschiedenen Ländern in Afrika hin und her reist. Sie will wissen, wer er denn in Wirklichkeit ist und was er tut, doch er will und kann es ihr nicht erzählen. Sie trennt sich von ihm. Kojo ist inzwischen als Unternehmer eingestiegen in den Schrotthandel mit Ghana, in Ghana ist sein Neffe Ekwo sein Handelspartner. Immer wieder schickt Kojo ihm Geld, damit er für die Familie weitab von Agbogbloshi ein Haus baut. Plötzlich stockt der Handel, weil sein Neffe verschwunden ist. Kojo reist nach Accra, um vor Ort zu sehen, was geschehen ist. Sein Bruder empfängt ihn mit schweren Vorwürfen, weil er seinen Sohn dazu verführt hat, auch ein Borga zu werden. Und jetzt ist der Sohn nicht mehr da, vielleicht schon tot, denn er wurde immer wieder ausgeraubt, weil er ja anscheinend viel Geld hatte. Die Familie musste für Dinge des täglichen Bedarfs völlig überhöhte Preise zahlen, weil sie ja über viel Geld verfügt. Auch das Haus, das Kojo der Familie bauen wollte, ist nur ein unvollendeter Rohbau. In der Siedlung Agbogbloshi entlädt sich der Zorn gegen Kojo, weil ein Arbeiter schwer verletzt wird beim Bearbeiten des von Kojo angelieferten Elektroschrotts. Kojo wird angegriffen und selbst schwer verletzt, weil selbst der traditionelle Chief der Siedlung, auf den alle hören, ihm nicht hilft.

Kojo fährt nach Deutschland zurück, wo ihn seine Freundin wieder aufnimmt, um ihn gesund zu pflegen. Doch Kojo kehrt endgültig heim. Das Wohlergehen und der Friede mit seiner Familie liegen ihm jetzt mehr am Herzen als der Reichtum.

Der Film zeigt, was in afrikanischen Gesellschaften und Familien geschieht, wenn einzelne Mitglieder der Familie von der Idee besessen sind, in Europa schnell reich zu werden. Der Reichtum zerstört traditionelle Familienstrukturen und das Verhältnis der Neureichen gegenüber der übrigen armen Bevölkerung. Wer die Heimat verlässt und nach Europa geht, verliert die emotionale Sicherheit und Solidarität, die die Familie geben kann. In Europa bleiben die Migranten Außenseiter; die Anerkennung, die Fürsorge und Geborgenheit, die ein Mensch braucht, erhalten sie in Fremde in der Regel nicht. In einer Welt, die erschüttert wird durch Kriege und Bürgerkriege, durch Naturkatastrophen und Armut durch die Veränderungen des Klimas, in dieser Welt sehen viele Menschen nur einen Ausweg in der Flucht, in der Migration. Der Film „Borga“ stellt in Frage, ob die Flucht ein sinnvoller Ausweg ist.

Der Verfasser des Drehbuchs und Regisseur York-Fabian Raabe hat den Film 2020 in Ghana und Deutschland gedreht. Um der Authentizität willen sprechen die Ghanaer in Ghana Twi oder auch Englisch, wozu es im Film Untertitel gibt. Die Zeitsprünge werden ganz einfach mit der Einblendung von Orts- und Zeitangaben, z.B. „Mannheim, Germany, 10 Jahre später“ angezeigt. Die ungewohnte Perspektive macht den Film überraschend und interessant und regt zum Nachdenken über das Problem Migration an. Der Film erhielt das Prädikat „besonders wertvoll“. Die Freiwillige Filmselbstkotrolle (FSK) empfiehlt den Film ab 12 Jahren. Ich empfehle ihn allen, die die Arbeit der Norddeutschen Mission in Ghana und Togo interessiert.

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