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Reise in eine freundliche Diktatur

Im Dezember erschien in der Tageszeitung (TAZ) ein Artikel des Autors Christoph Nix, der durch Togo gereist ist. Hier sind seine persönlichen Eindrücke.

Auf der Hauptstraße in Lomé, die den Namen Charles de Gaulles trägt, fragt mich ein Mann in ärmlicher Kleidung, was denn die Deutschen über die gegenwärtige politische Situation in Togo denken würden. Ich werde still, brauche eine Weile, um nachzudenken: „Nichts“, sage ich, „Sie haben euch vergessen, die deutsche Kolonialzeit, die dubiose Rolle von Franz Josef Strauß und die Erfolge eurer Fußballmannschaft.“ Danach fasse ich den Fremden vorsichtig am Arm und frage, ob wir eine Cola trinken gehen. Es ist heiß und schwül, die Luftfeuchtigkeit in der Hauptstadt liegt bei über 80 Prozent.

In einer kleinen Bretterbude sitzen wir im Schatten und schauen auf die Kathedrale Sacré-Cœur, die im Jahre 1906 während der Kolonialzeit errichtet und eingeweiht wurde. Die Deutschen seien einfach freundlichere Kolonialisten gewesen, sagte mein Bekannter, sie hätten weniger geschlagen, eine Eisenbahn gebaut, die Stammessprachen gelernt und in Ewe oder Kabiye die Kinder Togos unterrichtet. Ich frage nach Franz Josef Strauß, nach ihm wurde eine Straße gleich um die Ecke benannt. Ich sehe den abschätzigen Blick meines neuen Freundes und erlebe ein weiteres Mal, dass da einer in Togo mehr über die deutsche Geschichte weiß als der Normalbürger auf dem Ku’damm in Berlin.

Am 13. Januar 1963, exakt drei Jahre nach der Ermordung des frei gewählten Sylvanus Olympio, wird sein Mörder Präsident der Republik. Gnassingbé Eyadéma bleibt 38 Jahre im Amt, bis ihm sein Sohn im Jahre 2006 folgt. Das ist eine bittere Bilanz für die Demokratie. Wie kein anderer deutscher Politiker hat der Ministerpräsident von Bayern in die togoische Politik eingegriffen und die Familie Gnassingbé zu einer Königsfamilie gemacht. Insgesamt 600 Millionen DM sind über die entwicklungspolitischen Organisationen, die Hanns-Seidel-Stiftung oder die Familie Strauß nach Togo geflossen. Bis heute bildet die Seidel-Stiftung in Togo Polizisten aus, lassen sich ihre Repräsentanten togoische Orden verleihen und halten Kontakt zum Chef des Geheimdienstes Massina Yotroféï.

Nach dem Tod von Strauß, dem Ende einer bayerisch-togoischen Männerfreundschaft, reduziert sich die Unterstützung und die Zahlungen der Bundesrepublik, auch in Folge der Suspendierung der Kooperation der Europäischen Union mit Togo. Die Jahre 1993 bis 2007 werden magerer. Mit der Wiederaufnahme der deutschen Entwicklungspolitik 2011, der Errichtung eines Landesbüros der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), versucht vor allem die Gnassingbé-Administration die Beziehungen zu Deutschland und Bayern zu intensivieren.

Kommt man heute nach Lomé, so fällt auf, dass viele Straßen saniert sind und der Hafen ungeheuer floriert. Auf dem Meer liegen Dutzende von Schiffen vor Anker und warten darauf, abgefertigt zu werden. Die Straßen und die Infrastruktur haben die Chinesen in die Hand genommen und der Hafen gehört dem Bretonen Vincence Bolloré. Die Armen bekommen vom Aufstieg nichts ab, das Land ist auf dem Index der menschlichen Entwicklung (HDI) von 189 gezählten Ländern auf Platz 166 notiert.

Der Sandstrand, der Lomé zum Meer abgrenzt, ist glühend heiß. Das Baden ist wegen der Brandung und der starken Strömung unmöglich. Kurz vor der Grenzstation nach Ghana findet man die deutsche Botschaft mit einem groß angelegten wunderschönen Park. Der Botschafter versichert, soweit es ihm möglich sei, auf Menschenrechtsverletzungen zu achten, und er beichtet, selbst einmal Teil der deutschen Friedensbewegung gewesen zu sein. Die Offenheit gegenüber den togoischen Schriftstellern und Theaterleuten, die er gelegentlich in die Botschaft einlädt, ist nicht gespielt. Er tut, was er kann, das ist mehr, als andere tun.

Auch der unerfahrene Afrika-Tourist kann die Stadt Lomé gefahrlos besuchen. Das Hotel Ecole Lé Bénin wurde verstaatlicht und ist ein sicherer Ort mit Ausblick zum Meer für 96 Euro im Doppelzimmer. Von dort aus kann man durch die Stadt streifen, die Kathedrale, das Höchste Gericht, den Markt oder das Nationalmuseum besuchen.

Es ist ein verlassener Ort, dieses Museum. Neben Tierbildern und Voodoo-Trophäen hängen die Bilder der deutschen und französischen Gouverneure an der Wand. Aber dann ein ganz anderes Porträt, schmal und klug, ja vornehm schaut uns Sylvanus Olympio an. Er hatte viel vor, vor allem interessierte ihn das Projekt Demokratie in Afrika. Jetzt hängt das Bild seines Mörder neben ihm im Museum: Eyadéma, der große Diktator, der Freund der Deutschen, der Erbe des Kolonialismus, der große Jäger, nach dem sein Sohn jetzt auch den Flughafen benannt hat.

Ich will in den Norden, wo unlängst Aufstände waren. Es gab Tote und die Demonstranten, die für eine Demokratisierung kämpften, sind allein geblieben und in die Wälder geflohen. Deutschland und Europa haben dazu geschwiegen. Zugleich ist Sokodé ein Zentrum des Kinderhandels. Seit Jahrzehnten werden vor allem aus den Departements Central und Kara Kinder entführt, gelockt mit Versprechungen nach Bildung und einem guten Verdienst. Arme Familien werden überredet, ihre Kinder wegzugeben, andere werden von der Straße oder aus den Schulen geraubt und landen zu Hunderten in arabischen Ländern als Arbeits- und Sexsklaven, bar aller islamischen Glaubenssätze. Andere findet man auf den Feldern von Niger, Burkina Faso oder in reichen Familien in Nigeria. Die Staaten schweigen. Die französische Botschaft leugnet das Problem, mittlerweile hat Plan International ein Büro in Sokodé eröffnet. Mein togoischer Freund und Kameramann, der mich begleitet, kennt betroffene Familien und zurückgekehrte Kinder, auch eine der Entführerinnen.

Es leben etwa 7, 5 Millionen Togolesen auf der Welt, knapp 40 Prozent sind Katholiken und Protestanten, die Religionen des Voodoo, der Yoruba oder Ga sind weit verbreitet, oft nicht einmal im Gegensatz zum praktizierten Christentum. Je weiter man nach Norden kommt, desto stärker ist der Anteil islamisch-gläubiger Menschen, aber an der Küste nach Benin, Richtung Togoville, sind die Zentren des Voodoo. Verlässt man Lomé, den dichten Verkehr, den Gestank, vorbei an den Werken von Heidelberg Zement und dem großen Hafen, der dem Franzosen Vincent Bolloré gehört, so folgt man lange den Bahngleisen, der Strecke, die die Deutschen gebaut haben und die 1995 stillgelegt wurde.

520 Kilometer bis in den Norden, was für eine Chance wäre das für die arme Bevölkerung, ihr Gemüse und Obst verkaufen zu können, einen Binnenmarkt zu erschließen, aber die Politik hat anders entschieden. Durch Nichtstun hat das korrupte Regime die Straße den internationalen Speditionen freigegeben. Die Bahngleise werden marode und mitten in Lomé gammeln in einer Halle wunderschöne alte Lokomotiven vor sich hin.

Nach Norden kommend werden die Straßen schlechter, das Aufkommen an Militär nimmt zu. Es gibt Hinweise auf die einzige Elefantenherde, die Togo noch zu bieten hat. Wir sehen nur Ziegen und einige Kühe. Wir sehen die Schulen, die keine Türen haben und die Kinder in ihren Uniformen: blau, gelb, lila. Die Farbe Lila. Man kann Afrika nur verstehen, wenn man es lieben lernt, und es ist so leicht, dort die Liebe zu entdecken, aber es fällt so schwer zu verstehen, woher die Willkür kommt.

Wir wollen mit einer Drohne die Landschaft bildlich einfangen und suchen nach versteckten Wegen, aber flugs landen wir im Niemandsland, wo eine Schule ist: kein Strom, der Lehrer sieht aus wie ein großer Junge. Er erzählt uns von seinem Alltag, zeigt uns seine Kinder, wir sind echte Kolonialisten, wir haben Taschenmesser dabei und bei allen Skrupeln verschenken wir einige davon. Die Scham hält sich in Grenzen.

Mit der ausgestreckten Hand zeigt er uns ganz hinten, wo die Giraffen sind, aber wir werden sie niemals finden. Togo fängt erst nach Lomé an, Togo zu sein, es wird ärmer, kein Zweifel, aber in den Bergen ist eine andere Freiheit und eine Zuneigung den Fremden gegenüber: ohne Ausnahme.

So auch in Sokodé. Bevor wir die Stadt erreichen, gibt es eine Polizeikontrolle nach der anderen: Sie winken uns durch, manchmal hätten sie gern ein Geschenk. Wenn es ausbleibt, bleiben sie freundlich: Weiß sein ist ein Privileg.

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